Diese spezialisierte Einheit mit über 300 Ermittlern widmet sich gemeinsam mit den Staatsanwälten der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der hessenweiten Verfolgung von Kindesmissbrauch und unterstützt zudem die weltweiten Fahndungen gegen Kinderpornografie.
„Für dieses besonders schlimme und leider sehr dynamisch wachsende Kriminalitätsfeld haben wir bereits 2020 eine spezielle Einheit geschaffen. Mit über 3.000 Durchsuchungen und mehr als 40 Haftbefehlen, haben wir den Verfolgungsdruck auf Kinderschänder spürbar erhöht. Die Erfolge der Ermittler verdienen unsere Hochachtung. Sie haben in vielen Fällen Realmissbräuche an Kindern und Jugendlichen gestoppt und die Weiterverbreitung sexueller Darstellungen Minderjähriger unterbunden. Um das Leid minderjähriger Missbrauchsopfer zu stoppen, müssen sich unsere Ermittlerinnen und Ermittler widerwärtigste Inhalte ansehen. Mit einer eigens eingerichteten Clearingstelle ist es uns gelungen, noch schneller womöglich fortdauernde Realmissbräuche aus der Datenflut herauszufiltern. Zugleich setzen wir mit HessenDATA und einer hochmodernen Forensikplattform auf innovative Technik, um schnellstmöglich die für den Ermittlungserfolg entscheidenden Informationen zu finden und möglichst unverzüglich Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle zu erreichen“, so Hessens Innenminister Peter Beuth.
Der Hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck lobte die Arbeit der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und deren enge Zusammenarbeit mit der hessischen Polizei: „Unsere Staatsanwälte und Polizisten ziehen an einem Strang. Insbesondere wenn es darum geht, die Kleinsten in unserer Gesellschaft vor schrecklichen Straftaten zu schützen und die Täter dingfest zu machen. Der ZIT kommt hierbei eine besondere Rolle zu: Die Zentralstelle bearbeitet besonders aufwendige und umfangreiche Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornographie und sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Internetbezug. Bei der Verfolgung dieser Delikte müssen wir alle verfassungsrechtlich zulässigen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Bevölkerung und ganz besonders die Kinder vor schwersten Straftaten zu schützen. Bei der Verfolgung von Kinderpornographie darf es keine falschen Kompromisse geben. Unsere Ermittler brauchen effektive Ermittlungsinstrumente, sonst kommen die Täter ungeschoren davon.“
Nahezu alle Fälle basieren auf digitalen Spuren
Die übergroße Mehrzahl der Fälle im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige ergibt sich aus digitalen Spuren. Meist ist ein online gestelltes Bild oder Video der erste Anpacker für die Ermittler, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Viele Fälle werden den Ermittlern durch Meldungen der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC) bekannt, die Hinweise der Internetdienstleister auf Darstellungen von sexuellen Missbrauch Minderjähriger im Internet entgegennehmen und weltweit den Polizeibehörden melden.
Mangelnde Speicherdauer von IP-Adressen ist größtes Ermittlungshindernis
Als größter Hinderungsgrund für weitere Ermittlungserfolge stellt sich aus Sicht der Ermittler die mangelnde Speicherdauer von IP-Adressen dar. Erst kürzlich veröffentlichte das Bundeskriminalamt, dass von bundesweit etwa 90.000 Hinweisen im Jahr 2022 rund 25 Prozent aufgrund fehlender Ermittlungsansätze nicht verfolgt werden können. Das BKA geht jedoch davon aus, dass mit einer entsprechenden Verpflichtung der Provider, die IP-Adresse für einen gewissen Zeitraum zu speichern und somit im Verdachtsfall einen Rückschluss auf den Anschlussinhaber zu ermöglichen, deutlich mehr dieser Fälle gelöst werden könnten als bislang und eine Erfolgsquote von über 90 Prozent erreichbar wäre. Das deckt sich mit den Erfahrungswerten der hessischen Ermittler.
„Es ist eine Schande, dass unseren Ermittlern im Kampf gegen Kindesmissbrauch das dringlichste und wichtigste Ermittlungswerkzeug – die Nachverfolgung der Tatzeit-IP-Adresse – verwehrt ist. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass IP-Adressen für die Strafverfolgung schlimmster Verbrechen länger von den Telekommunikationsanbietern vorgehalten werden müssen. Diese Daten sind für den Erfolg der Ermittlungen essentiell. Ich werde daher auch auf der anstehenden Innenministerkonferenz erneut die Bundesinnenministerin eindringlich dazu auffordern, nun endlich zu handeln. Jedes Zögern, jede weitere unsinnige Diskussion über das ungeeignete ‚Quick Freeze‘-Verfahren verlängert das Leid Unschuldiger“, sagte der Hessische Innenminister Peter Beuth.
Auch Hessens Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck betonte angesichts der Schilderungen der Experten von Polizei und Justiz die Notwendigkeit der Speicherung von IP-Adressen für die Strafverfolgung schwerer Verbrechen: „Die heutigen Schilderungen der Praktiker haben einmal mehr gezeigt, dass das Schützen von IP-Adressen vor einer zu schnellen Löschung zur Bekämpfung von Kinderpornographie unerlässlich ist. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. September 2022 öffnet die Möglichkeit, den Providern aufzugeben, IP-Adressen bei schweren Straftaten nicht sofort zu löschen, sondern zu speichern. Ich verstehe nicht, warum über Monate darüber diskutiert wird, ob wir alle verfassungsrechtlich zulässigen Instrumente nutzen dürfen, damit Kinder vor schweren Missbrauchsfällen wirksam geschützt werden können. Die Antwort sollte eindeutig sein: Wir müssen als Rechtsstaat alles rechtlich Zulässige tun, solche schweren Straftaten zu verfolgen und, im besten Fall, zu verhindern. Hier darf Datenschutz nicht vor Kinderschutz stehen. Wenn Bundesjustizminister Buschmann weiterhin nur auf ‚Quick-Freeze‘ setzt, ignoriert er die Meinung der Experten aus der Praxis, dass dieses Instrument für eine effektive Strafverfolgung untauglich ist und handelt ideologisch statt sachlich. Der öffentlich inszenierte Ampel-Streit, der nun schon seit Wochen andauert und klare Handlungsmöglichkeiten verhindert, muss zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ein sofortiges Ende haben.“
Bundesweite Verdopplung der Fallzahlen
In den letzten Jahren sind weltweit und auch in Deutschland schockierende Verbrechen im Bereich Kinderpornografie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aufgedeckt worden. Laut Bundeskriminalamt wurden im vergangenen Jahr in mehr als 39.000 Fällen von Kinderpornografie Anzeige erstattet. Im Vorjahr waren es bundesweit rund 18.800 Anzeigen. Auch die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch stiegen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent auf mehr als 15.500 registrierte Straftaten an. In Hessen wurden 2021 mehr als 1.000 Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Minderjährigen registriert. In vielen Fällen erhalten die hessischen Ermittlungsbehörden Hinweise von Internetdienstleistern oder der US-amerikanischen Organisation „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC), die von Internetprovidern über Missbräuche im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert wird. Seit 2018 bis heute sind die Meldungen durch NCMEC an die hessischen Strafverfolger um rund 1.300 Prozent angestiegen. Die sogenannten NCMEC-Fälle bilden damit mit Abstand den größten Anteil der Fallzahlen. In allen diesen Fällen stellen digitale Spuren – also meist gesicherte Bilder und Videos mit Darstellungen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen – den ersten und meist einzigen Ermittlungsansatz für die Strafverfolger dar.
EuGH-Urteil eröffnet Ermittlungsbehörden Möglichkeiten
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.09.2022 wurde Rechtssicherheit geschaffen. Im Hinblick auf die Verfolgung und Bekämpfung von Terrorismus und anderen schweren Straftaten hat der Gerichtshof mitunter durch den Datenschutz gesetzte Grenzen aber auch Handlungsspielräume für die Ermittlungsbehörden benannt. Insbesondere für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch sowie Kinderpornografie haben die europäischen Richter gar einen klaren Schutzauftrag beschrieben, der etwa den Zugriff von Strafverfolgern auf hierfür gespeicherte IP-Adressen ermöglicht. Mit Hilfe der IP-Adresse kann, anders als z.B. mit Hilfe von GPS-Daten, nicht der Aufenthaltsort oder das Bewegungsprofil einer Person festgestellt werden, sondern lediglich herausgefunden werden, welcher Internetzugang von einem potenziellen Täter bei der Tatbegehung verwendet wurde. Dies ermöglicht Ermittlern einen wertvollen digitalen und die Grundrechte achtenden Ermittlungsansatz, um Täter zu überführen.
BAO FOKUS: Zahlreiche Großverfahren im Kampf gegen Kindesmissbrauch
Seit dem 1. Oktober 2020 bündelt und intensiviert die BAO FOKUS (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern) die polizeilichen Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Hessen. In den vergangenen rund zwei Jahren wurden in dieser Zeit hessenweit 3.309 Durchsuchungen durchgeführt, 46 Haftbefehle vollstreckt und 49.139 Datenträger (PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CDs/DVDs und mobile Endgeräte) sichergestellt. Zudem erfolgten bei 1.260 Beschuldigten erkennungsdienstliche Maßnahmen und 909 Beschuldigte wurden unmittelbar nach der Durchsuchung vernommen. Den Beschuldigten werden insbesondere sexueller Missbrauch von Kindern oder Erwerb und Besitz von Kinder- und Jugendpornografie vorgeworfen.
Erst vergangene Woche (21. bis 25.11.2022) fanden erneut Durchsuchungen der BAO FOKUS statt. Dabei wurden hessenweit 76 Objekte durchsucht. Den 74 Beschuldigten im Alter von bis zu 82 Jahren wird sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen oder Erwerb, Besitz und Verbreitung von Darstellungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zur Last gelegt. 15 Beschuldigte mussten die Polizei im Anschluss an die Durchsuchung zur Vernehmung auf die nächstgelegene Dienststelle begleiten. Es wurden insgesamt 104 Smartphones, 34 Computer und Laptops, 99 USB-Sticks, 95 CDs und DVDs sowie 168 weitere deliktsspezifische Gegenstände sichergestellt. Der Großeinsatz mit rund 270 Ermittlern wurde vom Hessischen Landeskriminalamt und der dortigen BAO FOKUS koordiniert.