Hessens Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) haben das eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke Fachrichtungen erfolgreich ausgestaltet. Zu diesem Ergebnis ist eine unabhängige wissenschaftliche Kommission gekommen, die das Promotionsrecht an hessischen HAWen insgesamt und die vier ältesten der sieben hessischen Promotionszentren evaluiert hatte. Wissenschaftsministerin Angela Dorn und der Vorsitzende der Kommission, Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, stellten den Evaluationsbericht am Montag vor. Das Promotionsrecht für die positiv evaluierten Zentren kann nun entfristet werden. Zur Qualitätssicherung sollen sie sich regelmäßigen Evaluationen unterziehen, wie sie im Wissenschaftsbetrieb gängige Praxis sind. Hessen hatte als erstes Bundesland 2016 seinen HAWen die Möglichkeit gegeben, für forschungsstarke Fachrichtungen ein eigenständiges Promotionsrecht zu beantragen.
„Das eigenständige Promotionsrecht für HAWen ist wichtig, weil es Lücken im Wissenschafts- und Wirtschaftssystem schließt. Es eröffnet individuelle Chancen für die Studierenden und gesellschaftliche Chancen durch die anwendungsorientierte Forschung, die es unterstützt. Denn wir brauchen die Forschung der HAWen für innovative, praxisnahe und interdisziplinäre Antworten auf wichtige Herausforderungen wie Klimawandel und Artensterben, globale Krisen und Kriege und die alle Lebensbereiche durchdringende Digitalisierung“, erklärte Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Hessen hat als erstes Bundesland seinen HAWen ein eigenständiges Promotionsrecht für forschungsstarke Fachrichtungen ermöglicht. Die Evaluation zeigt: Unser Modell ist erfolgreich und zu Recht Vorbild für andere Bundesländer. Und wir investieren auch finanziell in die Stärkung der Forschung an HAWen. So stellt das Land den fünf hessischen HAWen seit 2021 beträchtliche Mittel zur Verfügung, um einen wissenschaftlichen Mittelbau aufzubauen und insbesondere Qualifikationsstellen zu finanzieren. Die Mittel dafür wachsen jährlich auf, 2023 betragen sie 13 Millionen Euro pro Jahr. Ich danke Herrn Prof. Kleiner und der Evaluationskommission für den fundierten und differenzierten Bericht. Wir werden ihre wertvollen Empfehlungen umsetzen, die Fortentwicklung des Promotionsrechts an HAWen in Hessen regelmäßig überprüfen und es weiterentwickeln. Wir werden mit den HAWen nun in einen Prozess zur Umsetzung der Empfehlungen einsteigen und hierzu eine Arbeitsgruppe gründen.“
„Tragfähige Strukturen in kürzester Zeit“
„Die Kommission konnte sich davon überzeugen, dass in den betrachteten Promotionszentren der hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften tragfähige Strukturen für die Betreuung qualitativ anspruchsvoller Promotionen aufgebaut wurden, und das in kürzester Zeit. Das ist eine beeindruckende Leistung“, fasst Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner, Vorsitzender der Evaluationskommission, das Ergebnis zusammen. „Wir möchten das Land und seine HAWen ermutigen, nun die nächste Phase einzuleiten, die Promotionszentren als Orte der Forschung inhaltlich stärker zu profilieren und konzeptionell weiterzuentwickeln und dabei die Spezifika des Hochschultyps und den Ausgangspunkt der anwendungsorientierten Forschung in den Mittelpunkt zu stellen.“
Auch Professor Dr. Frank E. P. Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences und Vorsitzender des Zusammenschlusses der hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW Hessen), begrüßt den Evaluationsbericht: „Die HAW Hessen freut sich sehr über das Ergebnis der Evaluation, wodurch uns nun offiziell auch die wissenschaftlich exzellent besetzte Strukturkommission bestätigt, dass die HAWs grundsätzlich in der Lage sind, auf hohem wissenschaftlichen Niveau zu promovieren. Es bestärkt uns, die immer komplexer werdende anwendungsorientierte Forschung weiter voranzutreiben. Die Herausforderung, vor der unsere Gesellschaft steht, braucht innovative, praxisorientierte, interdisziplinäre und zukunftsorientierte Lösungen sowie mehr wissenschaftlichen Nachwuchs. Beides resultiert insbesondere aus genau diesen Promotionen. Wir freuen uns nun sehr darauf, alle Punkte dieses Gutachtens zu würdigen, da wir sicher sind, dass sie zur Schärfung der Qualität der Promotionszentren beitragen und so den Wissenschaftsstandort Deutschland deutlich voranbringen.“
Übersetzung in konkrete Forschungsprogramme
Die Kommission hat unter anderem angeregt, dass die HAWen ihre Forschungsstrategien in konkrete, thematische Forschungsprogramme für die Promotionszentren übersetzen. Für jedes Promotionszentrum soll ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet werden, der die Weiterentwicklung des jeweiligen Zentrums konstruktiv-kritisch begleitet. Die Kommission empfiehlt außerdem, die Promotionszentren zur Qualitätssicherung alle sieben Jahre unabhängig evaluieren zu lassen, wie es für außeruniversitäre Forschungsinstitute und in großen Bund-Länder-Programmen gängige Praxis ist.
In Hessen gibt es derzeit sieben Promotionszentren zu unterschiedlichen Fachrichtungen, drei davon hochschulübergreifend. Evaluiert wurden neben den allgemeinen, durch das Land Hessen festgesetzten Bedingungen und Verfahren des Promotionsrechts jene Promotionszentren, die mindestens seit vier Jahren bestehen: Die Promotionszentren „Public Health“ und „Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Globalisierung, Europäische Integration, Interkulturalität/Fulda Graduate Center of Social Sciences“ an der Hochschule Fulda sowie die jeweils hochschulübergreifenden Zentren „Soziale Arbeit“ (Federführung: Hochschule RheinMain) und „Angewandte Informatik“ (Federführung: Hochschule Darmstadt).
Der Evaluationsbericht ist hier zu finden: Promotionsrecht an Hochschulen für Angewandte WissenschaftenÖffnet sich in einem neuen Fenster
Hintergrund
Mitglieder der Kommission waren neben Professor Kleiner: Prof. Dr. rer. nat. Christian Facchi (Forschungsprofessur für eingebettete und vernetzte Systeme und Leiter des Graduiertenzentrums der TH Ingolstadt), Prof. Dr. Anne Friedrichs (ehem. Präsidentin der Hochschule für Gesundheit, Bochum), Prof. Dr. rer. nat. Hans-Hennig von Grünberg (Professur für Wissens- und Technologietransfer an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät Universität Potsdam und ehem. Präsident der Hochschule Niederrhein), Prof. Dr. Stefan Hornbostel (ehem. Leiter der Abteilung Forschungssystem und Wirtschaftsdynamik des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, DZHW) sowie Prof. Dr. Andreas Vasilache (Professur für Sozialwissenschaftliche Europaforschung und Direktor des Centre for German and European Studies der Universität Bielefeld). Zusätzlich unterstützten je zwei Fachgutachtende pro Promotionszentrum die Kommission in ihrer Arbeit.